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I.

Da ich die Uebersehung dieser Schrift veranlaßt habe: so dünkt es mich auch Pflicht, die Ursachen der Veranlassung und den Zweck anzuzeigen, den ich damit zu erreichen hoffte.

Der Verfasser des Buchs * hat sich den Journas listen seiner Nation und leider sowohl den Metaphys sikern, als Physikern und Schönschreibern übel ema pfohlen. Den ersten, weil er auf die Philosophie des Locke, den zweiten, weil er auf das Ansehen News tons kühne Angriffe gethan; die modischen Schrifts steller endlich (genus irritabile vatum) hat er am meis sten beleidigt, da er sich, eingenommen von der Res gelmäßigkeit, Klarheit und Ründe der Griechischen Schreibart, so entscheidend gegen den neuern Flitters puß erklärt hat, und wenigen Autoren das classische Ansehen zugestehen will, in dessen Besiß sie sich durch die Stimme der Recensenten sicher glauben. Sie has ben ihn also reichlich entgelten lassen, was er an ihnen * James Burnet of Monboddo, one of the Lords of the Court of Session in Scottland.

verübte, und auch unter uns ist der Name Mons boddo mehr oder minder durch einen Nachhall for= cher Urtheile bekannt worden.

Indessen ist die deutsche Nation viel zu gleichgüle tig oder zu edel, als daß sie durch eine literarische Cabale jenseit des Meers sich in ihrem Urtheil von einem Buch bestimmen ließe, das als Fremdling in ihre Sprache übertritt, und das Recht der Hospis talität begehret. Locke geht uns nicht weiter an, als so fern er der Wahrheit diente, und wir sind lange schon durch Leibniß gewöhnt, auch schwache Seiten seiner Philosophie zu finden. Newton hat mit dies fem übersehten Werke nichts zu schaffen: denn was Monboddo gegen ihn hat, hat er in seinen ancient metaphyfics*) ausgeschüttet; einem Buch, das ich noch nicht gelesen habe, und also weder zu verdammen, noch zu rechtfertigen wage. Was endlich seine Meynung über die Schreibart anlangt, die wir im Verfolg des Werks sehen werden: so glaube ich, daß sie mit dem Urtheil der besten Schriftsteller und Richter unfres Volks übereinstimmen, ja diefes sogar aus Gründen der alten und ächten Kritik neu unterstüßen werde. Nichts ist ihm so verhaßt, als die bunte Schreibart: nichts ehret und liebet er mehr, als griechische Einfalt und Klarheit. Ueber den Bau der Sprache und des Perioden hat er mit und nach dem Dionysius von

* Ancient Metaphysics, or the fcience of Univerfals. Edinb, 1779

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Halikarnaß gründlich und bündig gedacht, so daß, was Er Verderbniß des Geschmacks nennet, ein Alter schwerlich anders nennen würde.

Von solchen Vorurtheilen hat also unser Philos soph in Deutschland nichts zu befürchten; vielmehr glaube ich, daß sein Buch bey unsrer Nation, des ren Vorzug vor andern eine zwar kåltere, aber defto gerechtere Gleichmüthigkeit ist, gewinnen werde. Durch Uebersehungen aus allen Sprachen sind wir auch an allerley Vorstellungsarten gewöhnt, und in der Metaphysik haben wir, vielleicht auch unsrer kalten Bes Sonnenheit wegen, wenigstens vor einiger Zeit so große Schritte gethan, daß, wie mich dunkt, eine Basis von vestem Geschmack unter uns errichtet worden, für welche Monboddo eben ein Mann ist. Ich darf also meine Meinung über diese Schrift frey sas gen und sowohl ihr Vortrefliches, als ihre Mängel, wie solche mir wenigstens vorkommen, nicht verhehlen.

Der vornehinste Werth des Buchs scheint mir das gefaßte bündige Urtheil zu seyn, welches unsern Autor, in einer ihm angemessenen männlichen Schreibart, vor vielen Schriftstellern unfrer Zeit vortheils haft auszeichnet. Man sichet und fühlt, daß er, vom Mark der Alten genährt, sich von keinem süßen Naschwerk verführen lasse, und dieses dreust verschmås he. Seine Philosophie ist zwar hie und da mit einis ger Aristotelischen Scrupulosität verwebet; übrigens aber bestimmt, gründlich, viel umfassend und edel:

benn er bleibt nicht beym Stagiriten, sondern hat auch Plato und die Reste der Pythagorder genuket, ja in einigen Stellen gut erläutert. Sein Freund Harris, den er an mehreren Orten als ein Orakel lobet, und der auch unter uns durch seine vortreflichen Ges spräche* theils schon bekannt ist, theils durch einen Auszug aus seinem Hermes und seinen kleinen philos logischen Abhandlungen bekannt zu seyn verdiente; wahrscheinlich hat dieser beinahe zu eifrige Liebhaber der griechischen Philosophie ihn auch in diesen Geschmack gezogen; und es ist leicht zu erachten, daß, wer einmal in dieser Liebe ist, nicht von ihr los kann. Wer den Dianentempel zu Ephesus gesehen hat, der läßt die Tempelchen, die auf dem Markte verkauft werden, gern dem Liebhaber.

Es kann also seyn, daß Monboddo für den neuern Geschmack nicht vielseitig genug derkt; genug aber, er denkt scharf, bündig und meistentheils richtig,

In allen drey Büchern dieses ersten Theils aufsert sich dieser ächte philosophische Geist ; vorzüglich aber im zweiten und dritten; daher ich wünschte, daß Leser, denen die Kapitel gegen Locke zu lang dünken, fie nebst einigen Anmerkungen überschlagen und sich an das halten möchten, was der Verfasser über die Bildung der Ideen, über die Natur des Menschen, über die Entstehung und Fortschritte der Gesellschaft

* Jacob Harris Abhandlungen über Kunst, Musik, Dichta kunst und Glückseligkeit. Halle 1780.

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