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treflich unser Bersaffer es ins Licht geseht hat, daß bei dem Menschen seine edelsten Vermögen erworbne Fertigkeiten sind, so ists ein Mangel seines Buchs daß er nicht zugleich bemerkte, wie einzig der Mensch die nächste Fähigkeit dazu theils in seiner Organisation theils in seiner Lebensweise von der Geburt an be= siße, und daß also weder der Affe, noch irgend ein Thier der Erde in seiner Gestalt und Lebensart wahre menschliche Vernunft und Sprache je erhalten werde; vielleicht nicht aus wesentlicher Unvermögenheit ihrer Seele, sondern weil ihre gegenwärtige Organisation sie von uns scheidet. Auch den Biber rücket Mone boddo, Büffon zufolge, viel zu weit hinauf, da er offenbar nur instinctmässig bauet und in Gesellschaft lebet. Daß er zu bauen unterläßt, wenn er nicht zahlreich genug ist, hat er mit mehrern Thieren gez mein, die zu ihrem Werk eine Anzahl von Mitge fellen bedürfen; denn auch wenige einzelne Bienen würden nicht bauen, zumal wenn ihnen die Königinn fehlte. Daß der Biber seine Wohnung im Kleinen verändert, hat er ebenfalls mit mehrern Thieren ges mein; und selbst von den Bienen hat schon S wa ma merdamm bemerkt, daß ihnen nicht allemal die Zellen gleich gut gerathen. Diese Unterschiede sind aber nur kleine Local- und Zeitveränderungen, die von einer freiwilligen überdachten Veränderung, ihren Bau jeht als einen Bau der Vernunft anzulegen,

weit abstehen. Ein Gleiches ists mit dem Thier am Dniester, das Polignac Baubacis nennt, und desa sen Künste der Verfasser (Kap. 9. B. 2.) ans führt. Wahrscheinlich ists mus citellus Linn. und hat seine Künfte mit mehrern Thieren dieser Gattung gemein, wie in vielen Beyspielen gezeigt werden könnte.

Dies alles sind Kleinigkeiten, die das Innere des Werks nicht treffen; was ich jest anführe, hat auf das System des Verfassers mehr Einfluß. Um nehms lich die Erwerbung der menschlichen Fertigkeiten ganz darzustellen, und von unten herauf zu verfolgen, nimmt ér ganz rohe thierähnliche Menschen an, die lange zuerst ohne Sprache waren; wo und wann aber hat es solche gegeben? Die Geschichte kennet keine Na* • tionen von Thiermenschen: denn auch die rohesten Menschenfresser haben Sprache. Sie lernen sie ges rade wie wir, durch Tradition und Erziehung; der Peschereh wie der Engländer, der klatschende Hottentott, wie der sanftredende Grieche. Der Autor hat es auch gefühlt, wie schwer es sei, jedem wilden. Volk die Erfindung seiner Sprache zu überlassen, und meint daher, daß einige gebildete Völker sie ers funden haben. Aber welche? und wie theilen diese nun den ungebildeten, die Jahrtausende lang sprachs, los gelebt hatten, die Sprache mit? und zwar also mit, daß diese dennoch ihr eignes unvollkommenes

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Idiom voll Ausrufungen und langer Wörter bekamen, als ob sie sich dasselbe von Grund aus selbst gebildet håtten? Hier hat das System unsres Verfassers eine Lücke, auf die ich nur zeige, ohne 'sie ausfüllen zu wollen; es wird dazu anderswo der Ort seyn.

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Ferner wenn Monboddo den Egyptern das große Lob der Spracherfindung giebt: so stehet ihm, wie mich důnkt, nicht nur die Geschichte, sondern selbst der Bau der Erde entgegen, nach welchem die Egypter wenigstens in diesem Lande nicht anders, als ein spåtes Bolk sind. Und doch fand ihre Cultur geras de in diesem Lande die veranlassenden Ursachen; in einem andern wären die grobgebaueten Egypter nie das geworden, was sie geworden sind. Die Reiche des höhern Asiens waren wahrscheinlich viel früher gebildet, wie theils ihre alten Sprachen zeigen, theils die Origines aller abstammenden Völker es beweisen. Monboddo selbst seht das Vaterland. der Menschen in jene höheren glücklichern Gegenden, und er getrauet sich nur nicht, diese Höhen zu besteigen, weil er feinem Griechenlande gern nahe bleiben wollte.

Und so will ich mich auch auf einige seiner Hypos thefen von Abstammung verschiedner alten Sprachen nicht einlassen; es sind Winke und Rufe zu weites rer Nachspåhung in einem großen dunkeln Walde. Genug. Wenn die Philosophie des Autors und noch mehr seine Art. zu philosophiren Plak

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gewinnt; wenn das Studium der Menschengeschichte, die griechische Philosophie und Sprache den! Jünge lingen lieb wird, und man zu diesen. lebendigen Quellen der Jugend des menschlichen Geistes wieder kehret, wenn endlich auch die Mängel dieses Buchs durch weitere Untersuchungen in unserm sprachges lehrten philosophischen Vaterlande erseht und vers bessert werden: so wäre der Zweck dieser Uebrsehung sattsam erreicht.

Weimar den 29 Alen März 1784.

Herder

2.

Ueber die

Fähigkeit zu sprechen und zu hören,

Mehrmals war es mir fremde, daß wir Deutsche die Wichtigkeit dessen, was Sprache einer Nas tion ist, so sehr zu verkennen scheinen. Sobald von Sprache die Rede ist, glaubt der große Haufe, daß man von ihr als ein Grammatiker spreche. Sie, als das Organ unsrer Vernunft und gesellschaftlichen Thås tigkeit, als das Werkzeug jeder Cultur und Unters weisung, als das Band der Geselligkeit und guten Sitten, als das ächte Mobil zu Beförderung der Humanitat in jeder Menschenclasse, zu betrachten, das von sind wir weit entfernet.

Und doch lernen wir nur durch Sprache vers nünftig denken, nur durch Sprache unsre Vers nunft und Empfindungen, unsere Gesinnungen und Erfahrungen andern mittheilen. Sprache ist das Band der Seelen, das Werkzeug der Erziehung, das Mes dium unsrer besten Vergnügungen, ja aller gesells schaftlichen Unterhaltung. Sie verknüpft Eltern mit Kindern, Stände mit Ständen, den Lehrer mit seis

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