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Philosophie der Geschichte

zur

Bildung der Menschheit.

Erster Abschnitt.

Je weiter hin es sich in Untersuchung der ältesten Weltgeschichte, ihrer Völkerwanderungen, Sprachen, Sitten, Erfindungen und Traditionen aufklärt *: desto wahrscheinlicher wird mit jeder neuen Entdeckung auch der Ursprung des ganzen Geschlechts von Einem. Man nähert sich immer mehr dem glücklichen Klima, wo Ein Menschenpaar unter den mildesten Einflüssen der schaffenden Vorsehung, unter dem Beistande der erleichternösten Fügungen rings um sich her, den Faden anspann, der sich nachher mit solchen Wirrungen weit und lang fortgezogen: wo also auch alle ersten 3 us fålle für Anstalten einer mütterlichen Vorsehung gelten können, einen zarten Doppelkeim des ganzen Geschlechts mit alle der Wahl und Vorsicht zu ents wickeln, die wir immer dem Schöpfer einer so edelm

* Neueste historische Untersuchungen und Reifen in Asien. Herders Werke z. Philos, u. Gesch. II.

Gattung und seinem Blicke auf Jahrtausende und Ewigkeit hinaus zutrauen müssen.

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Natürlich, daß diese ersten Entwickelungen so Timpel, zart und wunderbar waren, wie wir fie in allen hervorbringungen der Natur sehen. Der Keim fällt in die Erde und erstribt: der Embryon wird im Verborgnen gebildet, wie's kaum die Brille des Philosophen a priori gutheißen würde, und tritt ganz gebildet hervor: die Geschichte der frühesten Entwicklungen des menschlichen Ge schlechts, wie sie uns das älteste Buch beschreibt, mag also so kurz und apokryphisch klingen, daß wir vor dem philosophischen Geiste unsers Jahrhunderts, der nichts mehr als Wundër bares und Verbo rgenes haffet, damit zu erscheinen erblöden: eben deswegen ist sie wahr. Nur Eins also angemerkt. Scheint nicht, selbst für das Maulwurfsauge dieses lichtesten Jahrhunderts, doch ein längeres Leben, seine stiller und zusammenhängender wir kende Natur, kurz eine Heldenzeit des Paz triarchenalters dazu zu gehören, die ersten För men des Menschengeschlechts, welche es auch Heyen, den Stammvåtern aller Nachkommenschaft eine und für die Ewigkeit anzubilden? Wir laufen jeht nur vorüber, und durch die Welt her; Schatten auf "Erden! Alles Gute und Böse, was wir mitbringen, (und wir bringen wenig mit, weil wir alles hier erst empfangen) --haben wir meist auch das Schicksal

wieder mit zu nehmen: unsre Jahre, Lebensläufe,. Vorbilder, Unternehmungen, Eindrücke, die Summé unsrer Hinwirkung auf Erde, ist kraftloser Traum einer Nachtwache - Geschwäß! du läsfest sie dahin fahren u. s. w. So wie das nun bei dem großen Vorrathe von Kräften und Fähigs keiten, den wir entwickelt vor uns finden, bei dem schnellern Laufe unserer Säfte und Res gungen, Lebensalter und Gedankenplane, wo Eins das Andere, wie eine Wasserblase die ans dere, zu verfolgen und zü zerstören eilt, bei dem so oft mishelligen Verhältniß zwischen Kraft und Besonnenheit, Fähigkeit und Klugs heit, Anlage und gutem Herzen, die ein Jahrhundert des Verfalls immer bezeichnen bei dem allen Absicht und abwägende Weiss heit scheint eine große Masse kindischer' Kräfte durch kurze, kraftlose Dauer des Lebensspiels zu måßigen und zu sichern gehörte nicht auch allein jenes erste, stille, ewis ge Baum und Patriarchenleben dazu, um die Menschheit in ersten Neigungen, Sitten und Einrichtungen zu wurzeln und zu gründen?

wie's

Was waren diese Neigungen? Was sollten sie feyn? Die natürlichsten, stärksten, einfachsten! für: alle Jahrhunderte der Menschenbildung die ewige Grundlage: Weisheit statt Wissenschaft, Gotsi tesfurcht statt Weisheit, Eltern Gatten

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Kindesliebe statt Artigkeit und Ausschweifung, Ordnung des Lebens, Herrschaft und Gottregentschaft eines Hauses, das Urbild aller bürgerlichen Ordnung und Einrichtung in diesem allen der einfachste Genuß der Menschheit, aber zugleich der tiefste wie das alles, ich will nicht fragen, erbildet, nur angebildet, fortgebildet werden, als - durch jene stille, ewige Macht des Vor= bilds, und einer Reihe Vorbilder mit ihrer Herrschaft um sich her? Nach unserm Lebensmaaße wåre jede Erfindung hundertfach verlohren gegangen; wie Wahn entsprüngen und wie Wahn entflohen welcher Unmündige sollte sie annehmen? welcher zu bald wieder Unmündige sie anzunehmen zwingen? Es zerfielen also die ersten Bande der Menschheit im Ursprunge; oder vielmehr, damals so dünne kurze Fåden, wie hätten sie je die starken Bande werden kön nen, ohne die, selbst nach Jahrtausenden der Bildung, das menschliche Geschlecht durch bloße Schwáchung noch immer zerfällt? Nein! mit frohem Schauer stehe ich dort vor der heiligen Ceder eines Stammvaters der Welt! Ringsum schon hundert junge blühende Bäume, ein schöner Wald der Nachwelt und Verewigung! aber siehe! die alte Ceder blüht noch fort, hat ihre Wurzeln weit umher, und trägt den ganzen jungen Wald mit Saft und Kraft aus der Wurzel. Wo der Altvater auch seine Kenntnisse, Neigungen und Sitten her habe? was und wie

wenig diese auch seyn mögen? ringsum hat sich schon eine Welt und Nachwelt zu diesen Neigungen und Sitten, blos durch die stille, kräftige, ewiz ge Anschauung seines Gottesbeispiels ges bildet und vestgebildet! zwei Jahrtausende wären nur zwei Generationen.

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Indeß auch von diesen heroischen Anfängen der Bildung des menschlichen Geschlechts weggesehen: nach den bloßen Trümmern der weltlichen Geschichte und nach dem flüchtigsten Raisonnement über dieselbe à la Voltaire welche Zustände können erdacht werden, erste Neigungen des mensche lichen Herzens hervorzulocken, zu bilden, und vests zubilden, als die wir schon in den Traditionen unserer ältesten Geschichte wirklich angewandt finden? Das Hirtenleben im schönsten Klis ma der Welt, wo die freiwillige Natur den eins fachsten Bedürfnissen so zuvor oder zu Hülfe kommt, die ruhige und zugleich wandernde Lebenss art der väterlichen Patriarchenhütte, mit allem, was sie giebt, und dem Auge entziehet, der damalige Kreis menschlicher Bedürfnisse, Beschäftigungen und Vergnügungen, nebst allem, was nach Fabel oder Geschichte dazu kam, diese Beschäftigungen und Vergnügen zu lens ken -man denke sich alles in sein natürliches, les bendiges Lichtwelch ein erwählter Garten Sots

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