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Die feinere Zärtlichkeit uusers Geschmacks ist

bewiesen.

"Schöne Künste und Wissenschaften!,, Die grdbern haben freylich die Alten, und zwar die elende unruhige Regimentsform, kleine Republiken ausbilden können: aber seht auch wie grob jene Bes redsamkeit Demosthenes! jenes griechische Theater! grob selbst jene gepriesene Antike! Und mit ihrer Mahlerey und Musik ists gar nur aufgedunsenes Mährchen und Zettergeheul gewesen. Die feinere Blüthe der Künfte hat auf die glücks felige Monarchie gewartet! An den Höfen Ludwigs copirte Corneille seine Helden, Racine feine Empfindungen: man erfand eine ganz neue Gattung der Wahrheit, der Rührung und des Geschmacks, von der die fabelhaften, kalten, prachtlofen Alten nichts gewußt die Opera. Heil dir Oper! du Sammelplaß und Wetteifer aller unserer schönen Künste!

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In der glückseligen Monarchie wars, wo's noch Erfindungen gab. Man erfand statt der alten pedantischen Universitäten, glänzende Akademien. Bosfuet erfand eine Geschichte, ganz Deklamas tion und Predigt und Jahrzahlregister, die den einfältigen Xenophon und Livius so weit ***Hume Vérs. Th. 4. XVI. XVII. Voltaire siècle de Louis XIV, XV, und die Heere Panegyristen der neuen Litteratur.

* Voltaire siècle de Louis XIV.

übertraf: Bourdaloue erfand seine Redegat tùng, wie beffer als Demosthen! Man erfand eine neue Musik,

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Harmonie, die keiner Melodie bedurfte, eine neue Baukunst, was jeder unmöglich geglaubt, eine nene Så ule und was die Nachwelt am meisten bewändern wird, eine A-r dh i tek tur auf der Flühe und mit allen Produktionen der Natur das Gärtenwesen! Voll Proportionen und Symmetrie! Boll ewigen Genusses und ganz neue Natur ohne Natur. Heil uns! was konn: ten wir allein unter der Monarchie erfinden! *** Am spåtesten fieng man an zu phitöfbphiren*. Und wie neu! ohne System und Grundfäße, daß es frei bliebe, immer zu anderer Zeit auch das Gegentheil zu glauben. Ohne Demonstration! in Wih gehüllet: denn alle strenge Philosophie hat „nie nie die Welt gebessert **., Endlich gar herrli che Erfindung! in Memoires und Wörter büchern, wo jeder lefen kann, was und wie viel er will und die herrlichste der herrlichen Erfin dungen, das Wörterbuch, die Encyklopädie aller Wissenschaften und Künste. "Wenn einst durch Feuer und Wasser alle Bücher, Künste und Wissenschaften untergehen; aus und an dir, Ency

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*

** Disc. prélim. vor der Encyklopädie, Voltaire tableau encyclopédique des connoissances humaines,

* Hume Vers. Th. 1. Abh. 1.

„Encyklopädie! hat der menschliche Geist "alles!,, Was die Buchdruckerkunst den Wis senschaften, ist die Encyklopädie der Buchdruckerkunst geworden:* höchster Gipfel der Auss breitung, Vollständigkeit und ewigen Erhaltung.

Nun sollte ich noch das Beste, unsre ungeheus ren Fortschritte in der Religion rühmen. Da wir gar die Lesarten der Bibel aufzuzählen anges fangen! in den Grundsäßen der Ehre, seitdem wir das lächerliche Ritterthum abgeschaft und Ors dens zu Leitbåndern der Knaben und Hofges schenken erhoben - am meisten aber unsern höchs ften Gipfel von menschlichen Vater-Weibs und Kindestugenden rühmen - aber wer kann in einem solchen Jahrhunderte, als das unsere ist, alles rühmen? Genug wir sind Gipfel des Baums! in himmlischer Luft webend: die goldne Zeit ist nahe!„

* Disc. prélim. und Mélange de litt. d'Alembert T. I. IV.

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Herders Werke 4. Philof. u. Gesch. II.

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Die Himmelsluft ist so erquickend, daß man gern zu lange über Wipfel und Bäumen schwebet: hinunter an den traurigen Boden, um etwa aufs Gang ze oder Nichtganze einen Blick zu werfen.

Großes Geschöpf Gottes! Werk dreyer Welttheile, und fast sechs Jahrtausende! die zarte faftvolle Wurzel, der schlanke, blühende Sprößling, der mächtige Stamm, die starks strebenden verschlungnen Aeste, die luftigen weit ver breiteten Zweige wie ruhet alles auf einander, ist aus einander erwachsen! — Groffes Gefchöpf Gottes! aber wozu? zu welchem Zwecke? Daß offenbar dies Erwachsen, dieser Fort gang aus einander nicht „Vervollkommung ,, im eingeschränkten Schulsinne sen, hat, dünkt mich, , der ganze Blick gezeigt.,, Nicht mehr Saamenz korn, wenns Sprößling, kein zarter Sprößling mehr, wenns Baum ist. Ueber dem Stamm ist Krone; wenn jeder Aft, jeder Zweig derselben

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Stamm und Wurzel seyn wollte

wo bliebe der Baum? Orientaler, Griechen, Römer waren nur einmal in der Welt; sollte die elektris sche Kette, die das Schicksal zog, nur in Einem Punkte auf Einer Stelle berühren! Wir also, wenn wir Orientaler, Griechen, Römer auf Einmal seyn wollen, sind wir zuverläßig Nichts.

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"In Europa soll jeht mehr Tugend seyn, als je in aller Welt gewesen?,, Und warum? weil mehr Aufklärung darinn ist — ich glaube, daß eben deshalb weniger seyn müsse.

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Was ists, wenn man auch nur die Schmeichler ihres Jahrhunderts frågt, was ist diese mehrere Tugend Europa's, durch Aufklärung! “Auf„klärung!, Wir wissen jeht so vielmehr, hdren, tesen so viel, daß wir so ruhig, gedul tig, sanftmüthig, unthätig sind Frey„lich-freylich - zwar und auch das noch; aber bey allem bleibt doch der Grund unsrer Herzen immer so weich!,, Ewige Süßler, das heißt alles ja, wir sind dort oben die dünnen, Iuftigen Zweige, freylich bebend, und flisternd bey jedem Winde; aber spielt doch der Sonnenstrahl so schön durch uns! stehn über Aft, Stamın und Wurzel so hoch, sehen so weit und nicht vergessen, können so weit und schön flis stern!

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ja

Ob man nicht sähe, daß wir alle Lafter und

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