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dünnte und versüßte kleine menschliche Neigungen als Schriftsteller ohne Zweifel auf der größten Höhe des Jahrhunderts! Aber nun zugleich damit, was für elenden Leichtsinn, Schwäche, Ungewißheit und Kälte! was für Seichtigkeit, Planlosigkeit, Scepticism an Tugend, Glück und Verdienst! was mit seinem Wiße weggelacht, ohne es zum Theil weglachen zu wollen! sanfte, angenehme und nothwendige Bande mit frevetnder Hand aufgelöset, ohne uns, die wir nicht alle au Château de Fernay residiren, das mindeste an die Stelle zu geben? Und durch welche Mittel und Wege hat er selbst sein Bestes erlangt? wenn er uns mit alle der Philosophie und Schönlie bhaberei der Denkart ohne Moral und fe= ste menschliche Empfindung dann in die Hånde liefere ? man kennet die große Kabale gegen und für ihn, weiß, wie anders Rousseau predige? vielleicht gut, daß beide predigen, weit voneinander und in manchem beide einander aufhebend oft das Ende menschlichen Beginnens! die Linien heben sich auf, aber ihr lehter Punkt steht weiter!

"Kein großer Geist, durch den das Schicksal Veränderung bewirkt, kann freilich mit allem,

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was er denkt und fühlt, nach der Gemeinregel jeder mittelmäßigen Seele gemessen werden. Es giebt Ausnahmen höherer Gat tung, und meist alles Merkwürdige der Welt geschicht durch diese Ausnahmen. Die geraden Linien gehen nur immer gerade fort, würden alles auf der Stelle lassen? wenn nicht die Gottheit auch aus serordentliche Menschen, Kometen, in die Sphären der ruhigen Sonnenbahn würfe, fals len und im tiefsten Falle sich wieder erheben liesse, wohin kein Auge der Erde sie verfolget. Auch thuts nur Gott oder unter Menschen ein Thor, daß er jede fernste moralische oder unmoralische Zwischenfolge einer Handlung auf die Rechnung des Verdienstes und der ersten Absicht des Han delnden sehet! wer fånde sonst in allem in der Welt mehr Anklager, als der erste und einzige Handler, der Schöpfer! Aber, meine Brü der, lasset uns ja die Pole nicht verlassen, um die sich alles dreht, Wahrheit, Bewußtseyn des Wohlwollens, Glückseligkeit der Menschheit! laßt uns am allermeisten auf der größten Höhe des Meeres, auf welcher wir jezt schweben, im Irr- und Nebellichte, das vielleicht årger ist, als völlige Nacht, lasset uns da fleißig nach diesen Sternen, den Punkten aller Richtung, Sicherheit und Ruhe hin

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sehen, und dann mit Treue und Emsigkeit unsern Lauf steuern.

Groß muß das Ganze seyn, wo in jeder Einzelnheit schon so ein Ganzes erscheint! in jeder Einzelnheit aber nur auch immer so ein unbestimmtes Eins, allein aufs Ganze sich offenbaret! Wo kleine Verbindungen schon großen Sinn geben, und doch Jahrhunderte nur Sylben, Nationen nur Buchstaben, und vielleicht Interpunktionen sind, die an sich nichts, zum leichtern Sinne des Ganzen aber so viel bedeuten! Was, o einzelner Mensch), mit deinen Neigungen, Fähigkeiten und Beitrage bist du? Und willt, daß sich an dir allseitig die Vollkommenheit erschöpfe?

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Eben die Eingeschränktheit meines Erdpunktes, die Blendung meiner Blicke, das Fehlschlagen meiner Zwecke, das Räthsel meiner Neigungen und Begierden, das Unterliegen meiner Kräfte nur auf das Ganze eines Lages, eines Jahres, einer Nation, eis nes Jahrhunderts eben das ist mir Bürge, daß ich Nichts, das Ganze aber Alles sey! Was für ein Werk, zu dem so viele Schattengrup pen von Nationen und Zeiten, Kolossenfis

guren fast ohne Gesichtspunkt und Ansicht! so viele blinde Werkzeuge gehören, die alle im Wahne des Freien handeln, und doch nicht wissen, was? oder wozu? die nichts überse hen, und doch so eifrig mithandeln, als wäre ihr Ameisen haufe das Weltall

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was für ein Werk dieß Ganze! Bei der kleinsten Spanne, die wir davon übersehen, so viel Ordnung und so viel Wirrung, Knote und Anlage zur Auflösung beides eben für die überschwängliche Herrlichkeit im Allgemeinen, Ei: cherheit und Gewährleistung. Elend klein müßte es seyn, wenn ich, Fliege, es übersehen könnte ! wie wenige Weisheit und Mannigfaltigkeit, wenn ein durch die Welt Taumeluder, der so viel Mühe hat, nur Einen Gedanken fest zu halten, nie eine Verwickelung fånde? In einer Spanne, die nichts ist, und wo doch tausend Gedanken und Saamenkörner zus gleich streben in einem halben Zeitmaas der Tonkunst von zwei Schlägen, wo sich aber eben vielleicht die schwersten Töne zur füffes ften Auflösung wickeln. wer bin ich, daß ich urtheile, da ich eben nur den großen Saal queer durchgehe, und einen Seitenwinkel des großen verdeckten Gemähldes im dunkelsten Schimmer beauge? Was Sokrates zu den Schrifs

ten eines Menschen sagte, der eingeschränkt, wie er, mit ihm in Einem Maaße der Kräfte,

schrieb was soll ich zu dem großen Buche Gottes sagen, das über Welten und Zeiten gehet! von dem ich kaum eine Letter bin, kaum drei Lettern um mich sehe.

Unendlich klein für den Stolz, der Alles feyn, wissen, wirken und bilden will! Une endlich groß für die Kleinmuth, die sich Nichts zu seyn getrauet beide nichts als einzelne, Werkzeuge im Plane einer unermeßlichen Vorsehung!

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Und wenn uns einst ein Standpunkt würs de, das Ganze nur unseres Geschlechts zu überfes hen! wohin die Kette zwischen Völkern und Erdz strichen, die sich erst so langsam zog, dann mit so vielem Geklirr Nationen durchschlang, und endlich mit sanfterm, aber strengerm Zusame menziehen diese Nationen binden und wohin? leiten sollte wohin die Kette reicht? wir ses hen die reife Erndte der Saamenkörner, die wir aus einem blinden Siebe unter die Völker verstreut, so sonderbar keimen, so vers schiedenartig blühen, so zweideutige Hoff= nungen der Frucht geben sahen wir habens selbst zu kosten, was der Sauerteig, der so lang, so trüb und unschmackhaft gåhrte, endlich für

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