Page images
PDF
EPUB

habe, erst bloße Begriffe zu bestimmen und zu ordnen; allein der Verlust war nöthig, da dieser Theil der Psychologie in den neueren Zeiten so verwüstet da liegt: da franzöfifche Philosophen über einige anscheinende Sonderbarkeiten in der thierischen und menschlichen Natur, alles so über und untereinan= der geworfen haben, und deutsche Philosophen die meisten Begriffe dieser Art mehr für ihr System, und nach ihrem Sehepunkte, als darnach ordnen, damit sie Verwirrungen im Sehepunkt der gewöhne lichen Denkart vermeiden. Ich habe auch mit dies sem Aufräumen der Begriffe keinen Umweg genommen, sondern wir sind mit einemmal am Ziele. Nemlich:

Der Mensch in den Zustand von Besonnenheit gefeßt, der ihm eigen ist, und diese Besonnenheit (Reflexion) zum erstenmal frei wirkend, hat Spras che erfunden. Denn was ist Reflexion? Was ist Sprache?

Diese Besonnenheit ist ihm charakteristisch eigen, und seiner Gattung wesentlich: so auch Sprache und eigne Erfindung der Sprache.

Erfindung der Sprache ist ihm also so natürlich, als er ein Mensch ist! Lasset uns nur beide Begriffe entwickeln! Reflexion und Sprache

[ocr errors]

Der Mensch beweiset Reflexion, wenn die Kraft

seiner Seele so frei wirket, daß sie in dem ganzen Ocean von Empfindungen, der sie durch alle Sinnen durchrauschet, Eine Welle', wenn ich so sagen darf, absondern, sie anhalten, die Aufmerksamkeit auf sie richten, und sich bewußt seyn kann, daß sie aufmerke. Er beweiset Reflexion, wenn er aus dem ganzen schwebenden Traum der Bilder, die seine Sinne vorbeistreichen, sich in ein Moment des Wachens sammlen, auf Einem Bilde freiwillig verweis len, es in helle ruhigere Obacht nehmen, und sich Merkmale absondern kann, daß dies der Gegenstand und kein andrer sey. Er beweiset also Reflexion, wenn er nicht blos alle Eigenschaften lebhaft oder klar erkennen, sondern Eine oder mehrere als unterscheis dende Eigenschaften bei sich anerkennen kann: der erste Aktus dieser Anerkenntniß* giebt deutlichen Begriff; es ist das Erste Urtheil der Seele,

und

Wodurch geschah diese Anerkennung? Durch ein Merkmal, das er absondern mußte, und das, ́als Merkmal der Besinnung, deutlich in ihm blieb. Wohlan, so laffet uns ihm das kvenna zurufen! Dies Erste Merkmal der Besinnung war Wort der Seele. Mit ihm ist die menschliche Sprache erfunden.

* Eine der schönsten Abhandlungen, das Wesen der Apper. ception aus physischen Versuchen (die so selten die Metaphysik der Seele erläutern) ins Licht zu sehen, ist die in den Schriften der Berlin'schen Akademie von 1764.

Lasset jenes Lamm, als Bild, sein Auge vorbeis gchn: ihm, wie keinem andern Thiere. Nicht wie dem hungrigen, witternden Wolfe; nicht wie dem blutleckenden Löwen die wittern und schmecken. schon im Geiste: die Sinnlichkeit hat sie überwältigt, der Instinkt wirst sie darüber her. Nicht wie dem brünstigen Schaafmanne, der es nur als den Gegenstand seines Genusses fühlt, den also wieder die Sinnlichkeit überwältigt; nicht wie jedem andern Thier, dem das Schaaf gleichgültig ist, das es also klar-dunkel vorbeistreichen läßt, weil ihn sein Instinkt auf etwas anders wendet. Nicht so dem Menschen. So bald er in das Bedürfniß kommt, das Schaaf kennen zu lernen : so störet ihn kein Instinkt; so reißt ihn kein Sinn auf dasselbe zu nahe hin, oder davon ab: es steht da, ganz wie es sich seinen Sinnen äußert. Weiß, sanft, wollicht seine besonnen sich übende Seele sucht ein Merkmal; das Schaaf blöcket, sie hat ein Merkmal gefunden : der innere Sinn wirket. Dies Blöcken, das ihr den stärksten Eindruck macht, das sich von allen andern Eigenschaften des Beschauens und Betastens losriß, hervorsprang, am tiefsten eindrang, bleibt ihr. Das Schaaf kommt wieder. Weiß, sanft, wollicht sie sieht, tastet, besinnet sich, sucht Merkmal

[ocr errors]
[ocr errors]

es blöckt, und nun erkennet fie's wieder! "Du bist das Blöckende!„, fühlt sie innerlich, sie hat es menschlich erkannt, da sie es deutlich,

das

das ist, mit einem Merkmal erkannte und nannte, Dunkler; so wäre es von ihr gar nicht wahrgenoms men worden, weil keine Sinnlichkeit, kein Instinkt zum Schaafe ihr den Mangel des Deutlichen durch ein lebhafteres Klare ersehte. Deutlich unmittelbar, ohne Merkmal; so kann kein sinnliches Geschöpf aufs ser sich empfinden, da es immer andre Gefühle uns terdrücken, gleichsam vernichten, und also den Unters schied von zween durch ein drittes erkennen muß. Mit einem Merkmal also; und was war dies anders, als ein innerliches Merkwort? "Der „Schall des Blöckens von einer menschlichen Seele, ,, als Kennzeichen des Schaafs wahrgenommen, ward, kraft dieser Bestimmung, Namen des Schaafs, 4, und wenn ihn nie seine Zunge zu stammeln versucht „håtte. Er erkannte das Schaaf am Blöcken: es war ein gefaßtes Zeichen, bei welchem sich die Seele einer Idee deutlich besann

[ocr errors]

Was ist das anders als Wort? Und was ist die ganze menschliche Sprache, als eine Sammlung solcher Worte? Kame er also auch nie in den Fall, einem andern Geschöpf diese Idee zu geben, und also dies Merkmal der Besinnung ihm mit den Lippen vorblöcken zu wollen oder zu können; seine Seele hat gleichsam in ihrem Inwendigen geblöckt, da sie diesen Schall zum Erinnerungszeichen wählte, und wieder geblöckt, da sie ihn daran erkannte - die Sprache ist erfunden! eben so natürlich und dem

Herders Werke z. Philos. u. Gesch. II.

Menschen nothwendig erfunden, als der Mensch ein Mensch war.

Die meisten, die über den Ursprung der Sprache geschrieben, haben ihn nicht hier auf dem einzigen Punkte gesucht, wo er, meiner Meinung nach; ges funden werden konnte; und vielen haben also so viel dunkle Zweifel vorgefchwebt, ob er irgendwo in der menschlichen Seele zu finden sey? Man hat ihn in der bessern Artikulation der Sprachwerkzeuge gesucht; als ob je ein Orang-Outang mit eben den Werkzeugen eine Sprache erfunden hätte? Man hat ihn in den Schällen der Leidenschaft gesucht; als ob nicht alle Thiere diese Schälle befäßen, und irgend Ein Thier aus ihnen Sprache erfunden håtte? Man hat ein Principium angenommen, die Natur und also auch ihre Schälle nachzuahmen; als wenn sich bei einer solchen blinden Neigung was gedenken ließe? Und als ob der Affe mit eben dieser Neigung, die Amsel, die die Schälle so gut nachäffen kann, eine Sprache erfunden håtten? Die meisten endlich haben eine bloße Convention, einen Einvertrag angenommen, und dagegen hat Rousseau am stärksten geredet; denn was ists auch für ein dunkles, verwis keltes Wort, ein natürlicher Einvertrag zur Spra che? Diese fo vielfachen Falschheiten, die über den menschlichen Ursprung der Sprache gesagt waren, has ben endlich die gegenseitige Meinung beinahe allgemein gemacht

ich hoffe nicht, daß sie es bleiben werde,

« PreviousContinue »