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Hier ist es keine Organisation des Mundes, die die Sprache fchaft: denn auch der Zeitlebens Stumpne, war er Mensch, besann er sich; so lag Sprache in seiner Seele. Hier ists kein Geschrei der Empfindung: denn nicht eine athmende Maschine, sondern ein besinnendes Geschöpf erfand Sprache. Kein Principium der Nachahinung in der Seele: die etwanige Nachahmung der Natur ist blos ein Mittel zu Einem und dem Eins zigen Zweck, der hier erklärt werden soll. Am wes nigsten ists Einverständniß, willkührliche Cone vention der Gesellschaft: der Wilde, der Einsame im Walde hätte Sprache für sich selbst erfinden müsfen; håtte er sie auch nie geredet.. Sie war Einverftändniß seiner Seele mit sich selbst, und ein so nothwendiges Einverständniß, als der Mensch Mensch war. Wenns andern unbegreiflich war, wie eine menschliche Seele hat Sprache erfinden können; so ists mir unbegreiflich, wie eine menschliche Seele, was sie ist, seyn konnte, ohne eben dadurch, - schon ohne Mund und Gesellschaft, sich Sprache erfinden zu müssen.

Nichts wird diesen Ursprung deutlicher entwickeln, als die Einwürfe der Gegner. Der gründlichste*, der ausführlichste Vertheidiger des göttlichen Ura sprungs der Sprache wird eben, weil er durch die Oberfläche drang, die Andere nur berühren, fast ein * Süßmilchs angef. Schr. Abschn. 2.

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Vertheidiger des wahren menschlichen Ursprunges. Er ist unmittelbar am Rande des Beweises stehen geblieben und sein Haupteinwurf, blos etwas richs tiger erkläret, wird Einwurf gegen ihn selbst und Beweis vom Gegentheil seiner Meinung, der Mens fchenmöglichkeit der Sprache. Er will bewiesen haben: "daß der Gebrauch der Sprache zum Gebrauche der Vernunft nothwendig fey. Hätte er das: so wüßte ich nicht, was anders damit bewiesen wäre, "als daß, „da der Gebrauch der Vernunft dem Menschen chas rakteristisch sey, der Gebrauch der Sprache es ihm eben so seyn müßte.,, Zum Unglück aber hat er seinen Sah nicht bewiesen. Er hat blos mit vieler Mühe dargethan, daß so viel seine verflochtne Hands lungen, als Aufmerksamkeit, Reflexion, Abstraktion u. s. w. nicht füglich ohne Zeichen geschehen kön nen, auf die sich die Seele flüße; allein dies nicht füglich, nicht leicht, nicht wahrscheinlich, erschöpfet die Sache noch nicht. So wie wir mit wenigen Abstraktionskräften nur wenige Abstraktion ohne sinnliche Zeichen denken können: so können anz dre Wesen mehr darthun ohne denken ; wenigstens folgt daraus noch nicht, daß an sich selbst keine Abstraktion ohne sinnliches Zeichen möglich sey. Ich habe erwiesen, daß der Gebrauch der Vernunft nicht etwa blos füglich, sondern daß nicht der mindeste Ges brauch der Vernunft, nicht die einfachste, deutliche Anerkennung, nicht das simpelste Urtheil einer mensch

lichen Besonnenheit ohne Merkmal möglich sey; denn der Unterschied von zween läßt sich nur immer durch ein drittes erkennen. Eben dies dritte, dies Merkmal, wird mithin inneres Merkwort; also folgt die Sprache aus dem ersten Aktus der Vernunft ganz natürlich. Herr Süßmilch will darthun *: daß die höhern Anwendungen der Vernunft nicht ohne Sprache vor sich gehen könnten ; und führt dazu Wolfs Worte an, der aber auch nur von diesem Falle in Wahrscheinlichkeiten redet. Der Fall thut eigentlich nichts zur Sache: denn die höhern Anwendungen der Vernunft, wie sie in den spekulativen Wissenschaften Plah finden, waren nicht zu dem ers ften Grundstein des Sprachenbaues nöthig. Und doch ist auch dieser leicht zu erweisende Sah von Hrn. S. nur erläutert; da ich erwiesen zu haben glaube, daß selbst die erste, niedrigste Anwendung der Vernunft nicht ohne Sprache geschehen konnte. Allein wenn er nun folgert: “kein Mensch kann sich selbst Sprache erfunden haben, weil schon zur Ers „findung der Sprache Vernunft gehöret, folglich schon Sprache hätte da seyn müssen, ehe sie da „war:„so halte ich den ewigen Kreisel an, besehe ihn recht, und nun sagt er ganz was anders: Ratio et Oratio! Wenn keine Vernunft dem Menschen ohne Sprache möglich war wohl, so ist die Erfins dung dieser dem Menschen so natürlich, so alt, ** Ebendaselbst, S. 52.77

ursprünglich, so charakteristisch, als der Gebrauch jener.

Ich habe Süßmilchs Schlußart einen ewigen Kreisel genannt: denn ich kann ihn eben sowohl gegen ihn, als er gegen mich drehen :” und das Spiel kreis felt immer fort. Ohne Sprache hat der Mensch keine Vernunft, und ohne Vernunft keine Sprache. Ohne Sprache und Vernunft ist er keines göttlichen Unterrichts fähig und ohne göttlichen Unterricht hat er doch keine Vernunft und Sprache -wo fommer wir da je hin? Wie kann der Mensch durch göttlis chen Unterricht Sprache lernen, wenn er keine Vernunft hat? Und er hat ja nicht den mindesten Ges Brauch der Vernunft ohne Sprache. Er soll also Sprache haben, ehe er sie hat und haben kann; oder vernünftig werden können ohne den mindesten eignen Gebrauch der Vernunft? Um der ersten Sylbe in göttlichen Unterricht fähig zu seyn, mußte er, wie Herr Süßmilch selbst zugiebt, ein Mensch seyn, das ist, deutlich denken können, und bei dem ersten deuts fichen Gedanken war schon Sprache in seiner Seele da sie war also aus eignen Mitteln und nicht mes chanisch durch göttlichen Unterricht, erfunden. Ich 'weiß wohl, was man bei diesem göttlichen Unterricht meistens im Sinne hat, neinlich den Sprachunterz richt der Eltern an die Kinder; allein man befinne sich, daß das hier nicht der Fall ist. Eltern lehren die Kinder nie Sprache, ohne daß diese, nicht immer

selbst mit erfänden. jene machen diese nur auf uns terschiede der Sachen, mittelst gewiffer Wortzeichen,

ersehen

aufmerksam, imd so he ihnen nicht etwa,

sondern erteichtern und befördern ihnen nur den Gebrauch der Vernunft durch die Sprache. Will man solche übernatürliche Erleichterung annehmen: so geht das meinen Zweck nichts an; nur alsdann hat Gott durchaus für die Menschen keine Sprache erfunden, sondern diese haben immer noch mit Wirkung eigner Kräfte, nur unter höherer Veran? staltung, sich ihre Sprache finden müssen. Um das erste Wort, als Wort, d. i. als Merkzeichen der Vernunft, auch aus dem Munde Gottes em pfangen zu können, war Vernunft nöthig; und der Mensch mußte dieselbe Besinnung anwenden, dies Wort, als Wort zu verstehen, als hätte ers ur, sprünglich ersonnen. Alsdann streiten alle Waffen meines Gegners gegen ihn selbst; der Mensch mußte wirklichen Gebrauch der Vernunft haben, um götte liche Sprache zu lernen: den hat immer ein lernendes Kind auch, wenn es nicht, wie ein Papagei, blos Worte ohne Gedanken sagen soll. Was wären das aberfür würdige. Schüler Gottes, die so lernten? Und wenn die ewig so gelernt håtten, wo håtten wir denn unsre Vernunftsprache her?

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Ich schmeichle mir, daß, wenn mein würdiger Gegner noch lebte, er einsähe, daß sein Einwurf, etwas mehr bestimmt, felbst der stärkste Beweis

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