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gegen ihn werde, und daß er also absichtlos in seiz nem Buche selbst Materialien zu seiner Widerlegung zusammengetragen. Er würde sich nicht hinter das Wort "Vernunftfähigkeit, die aber noch nicht im

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mindesten Vernunft ist „« verstecken: denn man kehre wie man wolle, so werden Widersprüche! Ein vernünftiges Geschöpf ohne den mindesten Gebrauch der Vernunft; oder ein vernunftgebrauchendes Gez schöpf ohne Sprache! Ein vernunftloses. Geschöpf, dem Unterricht Vernunft geben kann; oder ein uns terrichtfähiges Geschdpf, was doch ohne Vernunft ist! Ein Wesen ohne den mindesten Gebrauch der Vernunft; und doch Mensch! Ein Wefen, das seis ne Vernunft aus natürlichen Kräften nicht brauchen konnte, und doch beim übernatürlichen Unterricht na türlich brauchen lernte! Eine menschliche Sprache, die nicht menschlich war, d. i. die durch keine menschliche Kraft entstehen konnte; und eine Sprache, die doch so menschlich ist, daß sich ohne sie keine seiner eigentlichen Kräfte äußern kann! Ein Ding, ohne das er nicht Mensch war, und doch ein Zustand, da er Mensch war, und das Ding nicht hatte, das also das war, ehe es da war, sich äußern mußte, ehe es sich dußern, konnte, u. s. w. -- Alle diese Widersprüche sind offenbar, wenn Mensch, Vernunft und Sprache für das Wirkliche genommen werden, was sie sind, und das Gespenst von Worte Fähigs keit (Menschenfähigkeit, Vernunftfähigkeit,. Sprachfähigkeit) in seiner Unbedeutung gezeigt wird.

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"Aber die wilden Menschenkinder unter den Bås „ren, hatten sie Sprache? Und waren sie nicht Mens „ schen ? “*· Allerdings! nur zuerst Menschen in eis nem `widernatürlichen Zustande, Menschen in Verars tung. Leget den Stein auf diese Pflanze; wird sie nicht krumm wachsen? und sie ist demungeachtet ihrer Natur nach eine aufschießende Pflanze, und hat ihre geradschießende Kraft selbst da geäußert, da sie fich dem Steine kruinm umschlang. Also zweitens selbst die Möglichkeit dieser Berartung zeigt mensche liche Natur. Eben weil der Mensch keine so hins reißende Instinkte hat, als: die Thiere: weil er zu so mancherlei und zu Allem schwächer fähig, kurz, weiler Mensch ist: so konnte er verarten. Würde er wohl so bårenähnlich haben brummen, und so bårenähnlich haben kriechen lernen, wenn er nicht gelenksame Organe,, wenn er nicht gelenksame Glieder gehabt hätte? Würde jedes andre Thier, ein Affe und Efel, es so weit gebracht haben? Wirkte also nicht wirklich seine menschliche Natur dazu, daß er so unnatürlich werden konnte ? Aber drittens blieb fie deßwegen noch immer menschliche Natur: denn brümmte, kroch, fraß, witterte er völlig wie ein Bår? Oder wäre er nicht ewig ein strauchelnder stammlender Menschenbår, und also ein unvollkommenes Doppelgeschöpf geblieben? So wenig sich nun seine Haut und fein Antlik, seine Füße und seine Zunge Süßmilch S. 47.

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in völlige Bärengestält åndern und wandeln könnten: so wenig, Classet uns nimmer zweifeln !) konnte es die Natur seiner Seele. Seine Vernunft lag unter dem Druck der Sinnlichkeit, der bårenartigen Instinkte begraben: aber sie war noch immer mensch liche Vernunft, weil jene Instinkte ihm nimmer völlig zu Theil werden konnten. Daß dem also gewer sen, geigt endlich die Entwicklung der ganzen Sce

Als die Hindernisse weggewälzet als dieses Bår

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menschen zu ihrem Geschlecht zurückgekehrt waren, lernten sie natürlicher aufrechtgehen und sprechen, als sie dort, immer unnatürlich, kriechen und brummen gelernt hatten. Dies konnten sie immer nur båren ähnlich; ~jenes lernten sie in weniger Zeit ganz menschlich. Welcher ihrer vorigen Mitbrüder des Waldes lernte das mit ihnen? Und weil es kein Bår lernen konnte, weil er nicht Anlage des Körpers und der Seele dazu besaß ; ́so mußte der Menschenbår diese ja noch immer im Zustande seiner Verwilderung erhalten haben. Denn hätte sie ihm blos-der Unterricht, die Gewohnheit gegeben; warum nicht dem Bären? Und was hieße es doch, jemand durch Unterricht Vernunft und Menschlichkeit geben, der sie nicht schon hat? Vermuthlich hat alsdenn diese Nadel dem Auge die Sehkraft gegeben, dem sie die Staarhaut wegschaffet. Was wollen wir also aus dem unnatürlichsten Falle von der Na tur schließen? Gestehen wir aber ein, daß er ein un

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natürlicher Fall sei; wohl so bestätigt er die Natur, und weiset durch seine Abweichung auf die Menschenmöglichkeit der Sprache in einem bessern Zustande.

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Die ganze Rousseausche Hypothese von Ungleichheit der Menschen ist, bekannter Weise, auf folche Fälle der Abartung gebauet; und seine Zweifel gegen die Menschlichkeit der Sprache betreffen also entweder falsche Ursprungsarten, oder die beregte Schwierigkeit, daß schon Vernunft zur Sprachers findung gehöret hätte. Im ersten Fall haben sie Recht; im zweiten sind sie widerlegt, und lassen sich aus Rousseaus Munde selbst widerlegen. Sein Phantom, der Naturmensch, dies entartete Geschöpf, das ́er auf der Einen Seite mit der Vernunftfähigkeit abspeiset, wird auf der andern mit der Perfectibilität und zwar mit ihr als Charaktereigenschaft in so hohem Grade belehnet, daß er dadurch von allen Thiergattungen lernen könne; und was hat Rousseau ihm hiemit nicht zugestanden! Mehr, als wir wollen, und brauchen. Der erste Gedanke, "siehe!" das ist dem Thier eigen! der Wolf heult, der Bår brummt;& schon der ist in einem solchen Lichte gedacht, daß er sich mit dem zweiten verbinden konnte "das has „be ich nicht!») wirkliche Reflexion; und nun der dritte und vierte "wohl! das wäre auch meiner - Natur gemäß, das könnte ich nachahmen, dadurch wird mein Geschlecht vollkommen, welche Menge von feinen, fortschließenden Reflexionen! da das Geschöpf,

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das nur die Erste sich auseinander sehen konnte, schon Sprache der Seele haben mußte, indem es schon die Kunst zu denken besaß, die die Kunst zu sprechen schuf. Der Affe affet immer nach, aber nachgeahmt hat er nie; er hat nie mit Besonnenheit zu sich gesprochen “das will „ich nachahmen, um mein Geschlecht vollkommner zu machen.,, Denn hätte er das je, hätte er eine Einzige Nachahmung sich zu eigen gemacht, und sie in seinem Gefchlecht mit Wahl und Absicht verewigt; hätte er auch nur ein einzigesmal eine Einzige solche Reflexion denken können denselben Augenblick war er kein Affe mehr. In aller seiner Affengestalt, ohne einen Laut feiner Zunge, war er inwendig ein sprechender Mensch, der sich über kurz oder lang seine äußerliche Sprache erfinden, mußte. Welcher Orang-Outang aber hat je mit allen feinen menschähnlichen Sprachwerkzeugen ein einziges Wort gesprochen, das der Grundstein einer menschenähnlichen Sprache geworden wäre?

Es giebt freilich noch Negerbrüder in Europa, die da sagen "ja vielleicht! wenn er nur sprechen woll

te, oder in Umstände käme, in denen er sprechen müßte." Beide Wenn sind durch die Thiergeschichte genugsam widerlegt; und durch die Werkzeu ge wird, wie gesagt, bei den Affen das Können nicht aufgehalten. * Er hat einen Kopf von aussen und

Aus Campers Zergliederung des Orang-Outang (S. seine überseßten kleinen Schriften) erhellet, daß diese Behaup tung zu kühn ist; sie war indessen damals, als ich dieses schrieb, der Anatomiker gemeine Meinung.""

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