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innen, wie wir; hat er aber je geredet? Papagei and Staar haben menschliche Schälle gelernt; haben sie aber auch ein menschliches Wort gedacht? -Uebers haupt gehen uns hier noch die äußern Schälle der Worte nicht an; wir reden von der innern, nothwendigen Genesis eines Worts, als dem Merkmale einer deutlichen Besinnung; wann hat dies je eine Thierart, auf welche Weise es sei, geäußert? Abs gemerkt müßte dieser Faden der Gedanken, dieser Discours der Seele, immer werden können, er åußere fich, wie er wolle; dies geschiehet aber nie. Der Fuchs hat tausendmal so gehandelt, als ihn Aesop handeln läßt; er hat aber nie in Aesops Sinne ges handelt und das Erstemal, daß er das kann, wird Meister Fuchs sich seine Sprache erfinden, und über Aesop so fabeln können, als Aesop jeht über ihn Fabelt. Der Hund hat viele Worte und Befehle vers stehen gelernt ; nicht aber als Worte, sondern als Zeiz chen, mit Gebehrden, mit Handlungen verbunden; vers ftünde er je ein Einziges Wort im menschlichen Sinne, fo diente er nicht mehr, so schaffete er sich selbst Kunst and Republik und Sprache. Man sieht, wenn man einmal den genauen Punkt der Sprachgenese verfehlt, so ist das Feld des Frrthums zu beiden Seiten groß: da ist die Sprache bald so übermenschlich, daß jedes Thier sie erfinden muß, bald so übermenschlich, daß jedes Thier sie erfinden könnte, wenn es sich die Mühe nahme. Das Ziel der Wahrheit ist nur ein Punkt

auf den hingestellet, fehen wir auf alle Seiten, wag rum kein Thier Sprache erfinden kann, kein Gott Sprache erfinden darf, und der Mensch, als Mensch, Eprache erfinden kann und muß.

Weiter mag ich aus der Methapysik die Hypothese des göttlichen Sprachenursprunges nicht verfolgen da psychologisch ihr Ungrund darinn gezeigt ist, daß, um die Sprache der Götter im Olymp zu verstehen, der Mensch schon Vernunft, folglich schon Sprache haben müsse. Noch weniger kann ich mich in ein ane genehmes Detail der Thiersprachen einlassen: da fie doch alle, wie wir gesehen, total und incommensus rabel von der menschlichen Sprache, abstehen. Dem ich am ungernsten entsage, wären hier die mancherlei Aussichten, die von diesem genetischen Punkt der Spras che in der menschlichen Seele, in die weiten Felder der Logik, Aesthetik und Psychologie, insonderheit über die Frage gehen: wie weit kany man ohne, was muß man mit der Sprache denken? eine Frage, die sich nachher in Anwendungen fast über alle Wissenschaften ausbreitet. Hier sei es genug die Sprache, als den wirklichen Unterscheidungscharakter unsrer Gattung von außen zu bemerken, wie es die Vernunft von innen ist.

In mehr als Einer Sprache hat also auch Wort und Vernunft, Begriff und Wort, Sprache und Ursache Einen Namen, und diese Synonymie enthält ihren ganzen genetischen Ursprung. Bei den

Morgenländern ists der gewöhnliche Idiotismus ges worden, das Anerkennen einer Sache Namengebung zu nennen: denn im Grunde der Seele find beide Handlungen Eins. Sie nennen den Menschen has redende Thier, und die unvernünftigen Thiere die Stummen. Der Ausdruck ist sinnlich charakteristisch auch das griechische-droyos faffet beis des. Es wird sonach die Sprache eine Aeußerung, ein Ausdruck und Organ des Verstandes, ein künstlicher Sinn der menschlichen Scelet viel sich die Sehekraft jener sensitiven Seele der Alten das Auge, und der Instinkt der Biene seine Zelle bauet.

Vortrefflich, daß dieser neue, künstliche Sinn des Geistes gleich in seinem Ursprunge wieder ein Mittel der Verbindung ist und sein muß! Ich kann nicht den ersten menschlichen Gedanken denken, nicht das erste besonnene Urtheil reihen, ohne daß ich in meiner Seele dialogire, oder zu dialogiren strebe; der erste menschliche Gedanke bereitet also seinem Wesen nach, mit andern dialogiren zu können. Das erste Merks mal, was ich erfasse, ist Merkwort für mich, und wird Mittheilungswort für andre.

Sic verba, quibus voces fenfusque notarent Nominaque invenere

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Horat.

Dritter Abschnitt.

Der Brennpunkt ist angezeigt, auf welchem Pros metheus himmlischer Funke in der menschlichen Seele zündete. Beim ersten erfaßten Merkmal ward Sprache; welches waren aber die ersten Merkmale zu Ele= menten der Sprache ?

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Chefelden's Blinder *) zeigt, wie langsam sich das Gesicht entwicklen, wie schwer die Seele zu den Begriffen von Raum, Gestalt, und Farbe komme, wie viel Versuche gemacht, wie viel Meßkunst erworben. werden müsse, um diese Merkmale deutlich zu gebrauchen; das war also nicht der füglichste Sinn zur Sprache. Zudem waren seine Phänomene so kalt und stumm:' die Empfindungen der gröbern Sinne

Philof. Transact.

wies A

Abdrigment auch in Chefelden's Anatomy, in Smith; Kästners Optik, in Búffons Naturgeschichte, Encyklopädie und zehn kleinen französischen Wörterbüchern unter Aveugle.

wiederum so undeutlich und in einander gewebet, daß nach aller Natur, entweder Nichts, oder das Ohr der erste Lehrmeister der Sprache wurde.

Da ist z. B. das Schaaf. Als Bild schwebet es dem Auge mit allen Gegenständen, Bildern und Fars ben auf Einer großen Naturtafel vor; wie viel ist in thm, und dies wie mühsam zu unterscheiden! Alle Merkmale sind verflochten neben einander; alle also noch unaussprechlich. Wer kann Gestalten reden? Wer kann Farben tönen? Der Mensch nimmt das Schaaf unter seine tastende Hand: dies Gefühl ist sicherer und voller; aber seine Merkmale sind so voll, so dunkel in einander Wer kann, was er fühlt, fas gen? Aber horch! das Schaaf blöcket. Da reißt sich ein Merkmal von der Leinwand des Farbenbildes, worinn so wenig zu unterscheiden war, von selbst los: es dringet tief und deutlich in die Seele. "Ha! fagt der lernende Unmündige, (wie jener blind gewez fene Cheselden's); "nun werde ich dich wieder ,, kennen Du blöckst, Die Turteltaube girrt, der Hund bellt; da sind drei Worte, weil er drei deutliche Ideen versuchte, diese in seine Logik, jene in sein Wörterbuch einzuzeichnen. Vernunft und Sprache thaten gemeinschaftlich einen furchtsamen Schritt, und die Natur kam ihnen auf halbem Weg entgegen durchs Gehör. Sie tönte ihnen das Merkmal nicht blos vor, sondern tief in die Seele: es klang, die Seele haschte-da hat sie ein tönendes Wort!

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Herders Werke z. Philos. u. Gesch. II.

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