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Der Mensch ist also als ein horchendes, merkens des Geschöpf zur Sprache natürlich gebildet; und selbst ein Blinder und Stummer, siehet man, müßte Spras che erfinden, wenn er nur nicht fühllos und taub ist. Sezet ihn gemächlich und behaglich auf eine einsame Insel: die Natur wird sich ihm durchs Ohr offens baren: tausend Geschöpfe, die er nicht sehen kann, werden doch mit ihm zu sprechen scheinen; und bliebe auch ewig sein Mund und sein Auge verschlossen, seine Seele bleibt nicht ganz ohne Sprache. Wenn die Blätter des Baumes dem armen Einsamen Kühlung herabrauschen, wenn der vorbeimurmelnde Bach ihn in den Schlaf wieget, und der fäuselnde West feine Wangen fächelt ; das blöckende Schaaf giebt ihm Milch, die rieselnde Quelle Waffer, der rauschende Baum Früchte; Interesse genug, diese wohlthätis gen Wesen zu kennen, Dringniß genug, ohne Augen und Zunge in seiner Seele sie zu nennen. Der Baum wird ihm der Rauscher, der West Säusler, die Quelle Riesler heißen; da liegt ein kleines Wörs terbuch fertig, und wartet auf das Gepräge der Sprachs organe. Wie arm, und sonderbar aber müßten die Vorstellungen sein, die dieser Verstümmelte mit solchen Schällen verbindet!*

* Diderot ist in seinem lehrreichen Briefe far les fourds & muets kaum auf diese Hauptmaterie gekommen, da er sich meistens nur mit Inversionen und andern Feinheiten in ihm beschäftigt.

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Mun lasset dem Menschen alle Sinne frei; er sehe und taste und fühle zugleich alle Wesen, die in sein Ohr reden; welch ein weiterer Lehrsaal der Ideen und der Sprache! Führet keinen Merkur und Apollo, als Opernmaschinen von den Wolken herunter; die ganze, vieltönige, göttliche Natur ist dem Menschen Sprachlehrerinn und Muse. Da führet sie alle Ges schöpfe bei ihm vorbei; jedes trägt seinen Namen auf der Zunge, und nennet sich diesem verhülleten sichtbaren Eotte selbst als sein Basall und Diener. Es liefert ihm, wie einen Tribut, sein Merkwort ins Buch seiner Herrschaft: damit er sich bei diesem Namen seiner erinnere, es bei demselben künftig rufe. und genieße. Ich frage ob je diese Wahrheit: "eben „der Verstand, durch den der Mensch über die Naz »tur herrschet, war der Vater einer lebendigen Spras che, die er aus Tönen schallender Wesen zu Merk

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malen der Unterscheidung abzog;, ich frage, ob je dieser trockne Sah-auf morgenländische Weise edler und schöner könne gesagt werden, als: “Gott führete „die Thiere zu ihm, daß er sähe, wie er sie nennete; „ und wie er sie nennen würde, so sollten sie heißen!“ Auf morgenländische, poetische Weise kann es schwers lich bestimmter gesagt werden: „ der Mensch erfand sich selbst Sprache, aus Tönen lebender Natur, zu Merkmalen seines herrschenden Verstandes.,, Und das ist, was ich zu beweisen strebe.

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Hätte ein Engel oder ein himmlischer Geist die

Sprache erfunden: wie anders als daß ihr ganzer Bau ein Abdruck von der Denkart dieses Geistes sein müßte? Denn woran könnte ich ein Bild, von einem Engel gemahlt, kennen, als an dem Englischen, Ueberira dischen seiner Züge? Wo findet das aber bei unsrer Sprache statt? Bau, und Grundriß, ja selbst der erste Grundstein dieses Pallasts verråth Menschheit.

Ju welcher Sprache sind himmlische, geistige Bes griffe die ersten? Jene Begriffe, die auch nach der Ordnung unsers denkenden Geistes die ersten sein müßten, die Subjekte, notiones communes, die Saamenkörner unsrer Erkenntniß, die Punkte, um die sich alles wendet und alles zurückführt; sind diese lebenden Punkte Elemente der Sprache? Die Suba jekte müßten doch natürlicher Weise vor dem. Prádiz. kat, und die einfachsten Subjekte vor den zusammenz gesekten, das was da thut und handelt, müßte vor dem, was es handelt, das Wesentliche und Gewisse vor dem ungewissen Zufälligen vorhergegangen sein; und in unsern ursprünglichen Sprachen findet durchz gångig das offenbare Gegentheil statt, Ein hörenz des, aufhorchendes Geschöpf ist kennbar, aber kein himmlischer Geist: denn tönende Verba sind die ersten Machtelemente der ältesten Spras. chen. Tönende Verba? Handlungen, und noch nichts, was da handelt? Prådikate und noch kein Subjekt? Der himmlische Genius mag dieses sich fremd finden, aber nicht das sinnliche menschliche Geschöpf; denn

was rührte dies, wie wir gesehen haben, eben innis ger, als diese tönenden Handlungen? Und was ist also die ganze Bauart der Sprache anders, als eine Entwickelungsweise seines Geistes, eine Geschichte feiner Entdeckungen? Der göttliche Ursprung der Sprache erklärt nichts und läßt nichts aus sich erklås ren; er ist, wie Bako von einer andern Sache fagt, eine heilige Vestalinn, Gott geweihet, aber uns fruchtbar, fromm, aber zu nichts nüße! Der menschliche Ursprung erkläret alles und also sehr vieles.

Das erste Wörterbuch war aus den Lauten der Welt gesammelt. Von jedem tönenden Wesen klang fein Name, die menschliche Seele prägte ihr Bild darauf, dachte sie als Merkzeichen; wie nun anders, als daß diese tönenden Interjektionen die ersten Machtworte der Sprache würden? Und so sind z. B. die morgenländischen Sprachen voll Verba als Grunds wurzeln der Sprache. Der Gedanke an die Sache selbst schwebte noch zwischen dem Handelnden und der Handlung: der Ton mußte die Sache bezeichnen, so wie die Sache den Ton gab; aus den Verbis wurden also Nomina, und Nomina aus den Verbis. Das Kind nennet das Schaaf, als Schaaf, nicht: sondern als ein blöckendes Geschöpf, und macht also die Intera jektion zu einem Verbo. Im Stuffengange der menschlichen Sinnlichkeit wird diese Sache erklärbar, aber nicht in der Logik des höheren Geistes.

Alle alte, wilde Sprachen sind voll von diesem

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Ursprunge; und in einem "philosophischen Wörterbuch der Morgenländer,, wäre jes des Stammwort mit seiner Familie, recht gestellet, und gesund entwickelt, eine Charte vom Gange des menschlichen Geistes, eine Geschichte seiner Entwicks lung, und ein ganzes solches Wörterbuch die vortref lichste Probe von der Erfindungskunst der menschlichen Seele. Ob aber auch von der Sprach- und Lehrs methode Gottes? ich zweifle.

Indem die ganze Natur tönt: so ist einem finns lichen Menschen nichts natürlicher, als daß er denkt, sie lebe, sie spreche, sie handle. Jener Wils de sah den hohen Baum mit seinem prächtigen Gipfel und bewunderte ihn; der Gipfel rauschte: das, sprach er, ist webende Gottheit! er fiel nieder und betete an. Sehet da die Geschichte des sinnlichen Menschen, das dunkle Band, wie aus den Verbis Nomina werden, und zugleich den leichtesten Schritt zur Abstraktion. Bei den Wilden von Nordamerika z. B. ist noch alles belebt: jede Sache hat ihren Genius, ihren Geist; und daß es bei Griechen und Morgenländern eben so gewesen, davon zeugt ihr åltestes Wörterbuch, ihre älteste Grammatik. Sie sind, wie es die ganze Natur dem Erfinder war, ein Pantheon, ein Reich belebter, handelnder Wesen.

Indem der Mensch aber alles auf sich bezog: ins dem alles mit ihm zu sprechen schien, und wirklich für oder gegen ihn handelte: indem er also an ihm

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