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schmachtet! Gerold und seine Schildknappen mussten sich ins Herz hinein schämen, wenn sie überlegten, dass der Kaiser trotz aller ihrer Ränke und Missgunst so Grosses vollbracht hatte. Ohne jedoch den Patriarchen den sittlichen Triumph, welchen er über ihn feierte, durch kühne selbstbewusste Haltung fühlen zu lassen, suchte Friedrich mit jenem grossartigen Edelmuth, der seine Schritte auf dem ganzen Kreuzzuge leitete, den hochmüthigen Prälaten zu besänftigen und betraute den trefflichen Hermann, der wie kein Zweiter geschickt war, Frieden und Versöhnung zu stiften, mit der Ausführung dieser schwierigen Mission. Dieser bat den Patriarchen auf das eindringlichste, sich nicht von der Feier des grossen Tages der Besitzergreifung Jerusalems auszuschliessen; allein Gerold wich aus. Er wandte sich auf den Rath seiner Freunde schriftlich an Gerold; jedoch dieser erklärte, dass, ehe über die Sache weiter verhandelt werden könne, er vor allen Dingen Einsicht in das Friedensinstrument gewinnen müsse. Der Deutschmeister übersandte ihm hierauf durch dessen Pönitentiar, den Dominikaner Walter, 232 den Vertrag. Der Patriarch war mit den Artikeln desselben höchst unzufrieden. Zunächst erschien es ihm als ein arger Betrug, dass der Kaiser mit Al-Kâmil über Jerusalem, das nicht ihm, sondern dessen Neffen gehöre, unterhandelt und abgeschlossen; ausserdem aber habe der Kaiser nur für sich, nicht für die Kirche erobert und das bettelhaft Wenige, was er gewonnen, durch elende Demüthigung erkauft. 233 Ausserhalb Jerusalems sei kein Territorium den früheren geistlichen Besitzern restituirt worden, weder dem Patriarchen, noch den Kanonikern des heil. Grabes, noch den Johannitern, noch den Aebten der Latina, des Thales Josaphat, des Tempels, des Oelberges und Zions, nur die Templer hätten einige Dörfer an der Strasse nach Jâfâ wiedererhalten. 234 Hingegen sei es Pflicht des Kaisers als eines Kreuzfahrers gewesen, die Heiden zu bekämpfen und nicht, wie es vertragsmässig geschehen, ihnen freie Wallfahrt nach Bethlehem, eigene Gerichtsbarkeit, den Besitz zweier Moscheen einzuräumen und gar noch ein Schutz- und Trutzbündniss mit ihnen zu schliessen. 235 Auf

Grund dieser Bedenken wies daher Gerold Hermanns Gesuch kalt ab und untersagte sogar allen Pilgern den Besuch der heiligen Orte. Indessen traf am 7. März der deutsche Ordensbruder Leonhard 236 mit schlimmen Nachrichten von den Verwüstungen der Schlüsselsoldaten ein, und es war nicht abzusehen, welches Unheil Friedrich noch weiter zu erwarten hatte, wenn er länger zögerte und unterhandelte. Er brach sofort schleunigst von Jâfâ auf, wo er die Cyprier zurückliess, und stand am 17. März, am Sonnabend vor dem Sonntage Oculi, vor Jerusalem, wo bereits der Commissar Al-Kâmils, der Kadi Sams ad-dîn von Nâblus, seiner harrte, um ihm im Auftrage seines Souverains die Stadt zu übergeben. Mit einer unbeschreiblichen Freude 237 zogen die Pilger in die alte heilige Stadt, und die christliche Bevölkerung kam ihren Glaubensbrüdern jubelnd entgegen. Vor allem aber konnten sich die Deutschen kaum vor Freude lassen; sie sangen ihre Schlachtenlieder und illuminirten Abends die Häuser. 238 Der Zug ging nach der heiligen Grabeskirche, wo Friedrich, um den grossen, unvergesslichen Tag würdig zu begehen, ein Hochamt zu feiern gedachte; allein der vorsichtige Hermann wies ihn darauf hin, dass er als Gebannter die Kirche betrete, und Friedrich diesem Winke folgend unterliess es. Am folgenden Tage, am 18. März, zog er ganz früh mit den Pilgern, denen sich auch die Erzbischöfe von Palermo und Capua angeschlossen, wieder in die Grabeskirche. Mit festem Schritte betrat der Kaiser den Hochaltar, nahm von ihm die Krone und setzte sie sich selbst, da keiner von den durch die Assisen des Reiches zur Krönung befugten Prälaten gegenwärtig war, „zu Ehren des ewigen Königs" aufs Haupt. Hierauf verlas Hermann ein Memorandum erst deutsch, dann französisch, worin Friedrich ausführte, wie er zu Aachen das Kreuz genommen, aber durch die mannigfachsten Schwierigkeiten an der baldigen Ausführung seines Vorsatzes verhindert worden sei; die harten Massnahmen des Papstes gegen ihn entschuldigte er 239 damit, dass der Papst „nicht anders als so den üblen Reden der Leute hätte aus dem Wege gehen können“, und durch das falsche Gerücht, dass er

gegen die Kirche Feindseligkeiten im Sinne geführt habe. Nach Beendigung dieser einfachen aber jedenfalls für alle Pilger tief ergreifenden Feier zog-Friedrich mit der Krone auf dem Haupte nach dem Palast der Hospitaliter, wo eine Conferenz abgehalten wurde.240 Er unterhandelte hierauf ausserhalb der Stadt mit den englischen Bischöfen und den Vertretern der drei geistlichen Orden - von den Templern war nur der Praeceptor zur Stelle — über die Neubefestigung Jerusalems. Sie baten um Bedenkzeit, unterhandelten jedoch an demselben Sonntage noch weiter und empfingen von Friedrich den Bescheid, dass er ihnen am folgenden Tage antworten werde. Im Vollgefühl der Freude fertigte Friedrich noch an demselben Tage ein Rundschreiben und einen Boten an den Papst ab, wodurch er das grosse, für alle Christen, besonders aber für die Pilger so freudenreiche Ereigniss der Besetzung Jerusalems mittheilte und so den wahrscheinlich schon aus Jâfâ durch Erzbischof Lando v. Reggio an den Papst gesandten Bericht über den Friedensabschluss vervollständigte. Allein seine Hoffnung durch seine Erfolge den Papst zur Milde zu stimmen war ebenso eitel, wie die auf Gerolds Versöhnlichkeit. Dieser nämlich, ob aus Beschränktheit oder Heimtücke, lässt sich schwer entscheiden. beschloss eine Gesandtschaft an Al-Nâşir nach Damaskus zu senden, um seine Zustimmung zu dem von Friedrich mit Al-Kâmil abgeschlossenen Frieden zu erwirken. Natürlich ward sie von Al-Nâşir schnöde abgewiesen, und nun hatte Gerold einen Grund mehr. den Frieden als einen falschen darzustellen. 241

Am folgenden Tage, Montag den 19. März, erschien der Erzbischof von Caesarea im Auftrage Gerolds und belegte die heiligen Stätten mit dem Interdict. 242 Ohne Zweifel hatte Gerold diesen Streich schon für den vorhergehenden Tag dem Kaiser, als er in Jerusalem mit Glanz und unter dem Jubel der Christen einzog, zugedacht; allein Friedrich war ihm zu unverhofft schnell gekommen, und so hinkte denn das Interdict dem Freudenfeste nach. Als die Pilger von dieser Massregel Gerolds Kenntniss genommen, ergriff sie eine unbeschreibliche Wuth.

Sie, die auf den Ruf der Kirche Gut und Blut für die heiligen Stätten zu opfern bereit gewesen, sollten diese jetzt nicht sehen: sie sollten die Geissel des Bannfluches fühlen, da diese den Kaiser nicht schmerzte. Hermann hörte, der Grund des Interdictes sei die Nichtbestätigung des Friedens durch Al-Nâșir und die Ueberlassung zweier Moscheen in Jerusalem an die Muslimen ; aber er sowohl wie alle mit den Verhältnissen in Syrien vertrauten Männer sagten es sich, dass der eine Grund ein Sophisma, der andere eine Unbilligkeit in sich schliesse, da die Muslimen in ihren eigenen Territorien z. B. in Damaskus den Christen die Ausübung ihres Cultus ja auch niemals verkümmert hätten. 243 Friedrich beklagte sich gegen die Seinen bitter über diese Jerusalem von der Kirche selbst angethane Schmach und verlangte vom Patriarchen Aufklärung, wobei er sich zu jeder Genugthuung bereit erklärte. An demselben Tage kamen indessen auch die englischen Bischöfe und viele angesehene Pilger zum Kaiser, um die Sonntagsconferenz über die neue Befestigung Jerusalems fortzusetzen, und erklärten sich einstimmig jetzt bereit, den Kaiser bei diesem Werke zu unterstützen. Friedrich gab auch darauf bezügliche Befehle; 244 allein der Boden brannte ihm unter den Füssen, und mit einer ausweichenden Wendung liess er die geistlichen Herren stehen, bestieg sein Ross und sprengte, „von Niemandem gegrüsst", so schnell, dass ihm die Seinen kaum folgen konnten, durch das Jâfâthor hinaus.245 Der Patriarch, welcher bis dahin ausserhalb der Stadt gewohnt und auch nur in den Kirchen vor der Stadt durch den Dominicaner Walter den Gottesdienst hatte abhalten lassen, zog nach Friedrichs Abreise, trotzdem der Besitz Jerusalems nur ein arglistiger Betrug sein sollte, mit seinen Suffraganen ein. Zu gleicher Zeit aber strömten die Pilger auf die Nachricht von Friedrichs eiligem Zuge nach Jâfâ massenweise aus Jerusalem, um dem Kaiser zu folgen, während andrerseits die Muslimen in hellen Haufen unter Weinen und Wehklagen über den Verrath des Sultans Jerusalem verliessen und sich in das Lager Al-Kâmils begaben. Allein dieser empfing sie sehr hart und befahl ihnen, sich nach Hause zu

packen. 246 Indessen machte die Uebergabe Jerusalems an die Franken in Damaskus noch einen viel tieferen Eindruck. Der Imam der grossen Moschee bestieg. von Al-Nâşir aufgefordert, den Predigtstuhl und verkündigte unter Wehklagen das grosse Unglück, das der Islam erlitten, und Alles brach in Weinen aus über den Verlust der heiligen Stadt. 247 Ein wilder Fanatismus durchdrang die Herzen aller Muslimen gegen den Verräther Al-Kamil, im ganzen Sultanat wurde eifrig gerüstet; allein die Alliirten waren schon von Tell al- ́aģûl aus im Anmarsche und schlossen Damaskus mit einem starken Heere ein. 248

Am 22. März 249 kam Friedrich über Jâfâ nach 'Akkâ, wo er höchst kühl empfangen wurde. Einige Tage später erschien auch Gerold und gab sich alle erdenkliche Mühe, die französischen Pilger von ihrer beabsichtigten Heimkehr abzuhalten, weil der Friede des Kaisers doch nur ein falscher Friede" sei, und ohne ihre Hülfe das heilige Land rettungslos den gottlosen Heiden wieder verfallen werde. Der Kaiser erklärte alle diese Anklagen für ungerecht, da der Friede in richtiger Form mit dem Besitzer des Landes, das ihm kraft des Rechtes der Eroberung gehöre, abgeschlossen sei. Am folgenden Tage liess Friedrich vor den Thoren die Prälaten, Pilger und Einwohner der Stadt zu einer Versammlung laden, erhob hier gegen den Patriarchen und die Templer die Anklage, dass sie Friedensstörer seien, und liess, da der Patriarch hatte Truppen werben lassen, durch Herolde allen Pilgern befehlen, sofort mit ihm die Rückkehr in die Heimath anzutreten. Dass diese Massregel durchaus nothwendig war, ist aus der Geschichte der Kreuzzüge klar zu erkennen. Denn die Christen haben die mit den Muslimen abgeschlossenen Friedensverträge fast nur respectirt, wenn sie zu schwach waren; sonst haben sie diese fast regelmässig gebrochen, und Friedrich musste voraussetzen, dass Gerold den durch diplomatische Gewandtheit gewonnenen resultatreichen Frieden wieder brechen wollte. Friedrich gab daher dieser Aufforderung Nachdruck. Er liess die Thore der Stadt schliessen, die Wälle und Thürme mit Bogenschützen

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