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HOLBERGS IRONIE UND DIE IRONIE DER

ROMANTIK

ZUR ERKENNTNIS UND GESCHICHTE DER DRAMATISCHEN IRONIE

I.

n dieser kleinen Untersuchung handelt es sich nicht um Erweiterung oder Diskussion auf stofflichem Gebiet, die Tatsachen, die ihr zu Grunde liegen sind lange bekannt. Hier ist das Fortleben und Fortbilden einer Idee Thema; eine an der Grenze von Kunst und Philos sophie stehende Idee: die Ironie, erscheint in zwei gegeneinander gerichteten Zeiten zwei Metamorphosen einer Idee bewusst oder unbewusst lebt sie stets in der Menschheit. Nicht die Genesis der <<romantischen Ironie», die Vorstufen eines zur Lebensanschauung wachsenden Grundprinzips, sind Ziel; die Ironie Holbergs, die Ironie der Romantik werden als Bildungen aus einem Ursprung gesehen. Die deutsche Romantik hat im Gegensatz zur deutschen Auf

1 Prutz macht zuerst auf Tiecks und Solgers Holbergverehrung aufmerksam (S. 135 usw.). Schlenther («Holberg in Deutschland» in Dänische Schaubühne 1888 S. 115 ff.) und Skavlan übernehmen die Tatsachen von Prutz ohne weitere Resultate. In romantischen Lustspielen und Lustspielen romantischer Epigonen mögen einzelne Motive und Situationen direkt oder indirekt auf Holberg zurückgehen - ein Katalog solcher, immer zweifelhaft bleibender Stellen ist für unser Thema gleichgültig. Schlenther macht bereits darauf aufmerksam, dass von einer Nachahmung Tiecks nicht die Rede sein kann bei einem genauen Vergleich von «Melampe», «Ulysses» und Tiecks Satiren ergeben sich keine nennenswerten Parallellen.

Wie weit ein blosses wertloses Suchen nach Parallellen gehen kann, mag man aus der Abhandlung von A. Renker sehen («Georg Büchner und das Lustspiel der Romantik» Berlin 1924 - S. 82 f.). Die aufgestellten Parallellsituationen sind ohne jeden Sinn dieselben Parallellen kann man bei Gozzi und Ghérardi finden beide wird Büchner eher gekannt haben als Holberg. (Büchner erwähnt nic Holberg, wohl aber Gozzi.)

klärung keine Beziehung zu den Tendenzen und Motivkreisen Holbergs,' Holbergs Welt ist die ausgesprochene Antithese zur romantischen Welt. Holberg, Gottsched, Gozzi verwirklichen gleichzeitig theoretisch oder praktisch das Aufklärungsprogramm auf der Bühne, zu den neuen Idealen Schillers und Schlegels gibt es keine Brücke." Die Idee der Ironie jedoch ist Holberg, Gozzi, (nicht dem theore tisierenden Gottsched) und der Romantik im letzten Grunde gemeinsam. Bei Gozzi und Holberg ist sie unbewusst, fremd dem Ganzen ihres Denkens und Dichtens, fremd vor allem der Aufklärung, hineingedrungen; durch sie aber lebt unbeabsichtigt, ungewollt das Genie und der Dichter in den sonst moralisierenden Werken. Nur um dieser einen Idee willen wurde Holberg wie Gozzi von der Romantik verehrt und als Vorbild aufgestellt, während der Meister Molière völlig verworfen wurde."

Die Darstellung, die Genesis, der Vergleich der Ironie Holbergs und der Romantik ist Thema dieser Untersuchung.

Die Ironie als Totalanschauung, als Grundprinzip einer Weltanschauung, abgeleitet aus dem Idealismus Kants und Fichtes scheidet hier aus; der Begriff der «romantischen Ironie», die spätere Abstrahierung einer ursprünglichen, organischen Weltfülle, in der die «beherrschte Ironie» die Dinge begrenzte und objektivierte, bildet sich langsam, fast dogmatisch, zersetzend erst in Solger aus Fr. Schlegel. Zum herrschenden Grundprinzip der Romantik wird die «romantische Ironie>> erst von Hegel erhoben Solgers Ironieprinzip ist für Hegel das notwendige Negative, gegen das sich das eigene Positive abhebt."

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1 Die deutsche Aufklärung war mehr als das dänische Publikum fruchtbarer Boden für Holbergs Tendenzen und Stoffe - allerdings trat der Künstler Holberg dabei ganz zurück. Vergleiche die grundlegende und bis in die kleinsten Einzel, heiten gehende Disputaz v. Carl Roos.

' Schillers Bearbeitung von Gozzis «Turandot» ist typisches Beispiel für den Gegensatz der Zeiten, ebenso Schillers und A. W. Schlegels Ablehnung von Holbergs Grobheit (Schlegel: Vorlesungen über Dramat. Kunst II, 1809, Teil 2 S. 384.)

* Schlegel lehnt in seinen Vorlesungen über Dramatische Kunst Holberg wie Molière aber sah, von seiner, zu der Zeit schon dogmatisch gewordenen romanti schen Theorie aus, in Holberg nur den Molière verwandten Geist, den grossen Morallehrer. (a. a. O. II 2 S. 384) (vergl. dazu Solger, Schriften II S. 555.)

Vergleiche zum ganzen Aufsatz: Kierkegaard: «Om Begrebet Ironi» (Samlede Værker XIII) und die zusammenfassende Einleitung bei Himmelstrup (K.s opfat telse af Sokrates. 1924 Disp.). Für den Begriff «beherrschte Ironie» kommt hier Kierke, gaards Schlusskapitel «Ironien som behersket Moment» in Betracht.

Kierkegaard a. a. O.. «Ironien efter Fichte», Abschnitt: «Solger».

Die Überwinder der Romantik, Hegel und Kierkegaard, sahen in dem von ihnen aus der Romantik abstrahierten Grundprinzip gleichzeitig das Grundübel, das Negative. Die neue, wieder bejahende Forschung Deutschlands' grübelte weiter über diesem «Grundprinzip> die Romantik wurde so noch weiterhin abstrahiert – oft ihrer Persönlichkeit und Erscheinungsfülle beraubt. Die Ironie wie sie moderne Forschung als Begriff ausgearbeitet hat, beherrscht nur einen philo sophischen Zweig der Romantik - ganz unberührt bleibt etwa die eigentliche Naturphilosophie: Schelling-Steffens.

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Kierkegaard scheidet in seiner grossen Abhandlung «Om Begre bet Ironi>> <<executive» und «contemplative» Ironie, er stellt, um den Begriff deutlicher zu geben, die Proportion auf: Executive und con templative Ironie verhalten sich wie empirischer (vulgärer) und speculativer Zweifel.2 - Die executive wie die contemplative Ironie können weiterhin «beherrscht» und «unbeherrscht» sein. Diese Wertung der Ironie führt zwingend immer zu einer Wertung der Romantik sie fällt anders aus als die Wertung Kierkegaards, be hält trotzdem ihre grundlegende Bedeutung. Unsere Betrachtung beschäftigt sich mit der «executiven» sozusagen der praktischen Ironie. Es ist deutlich: für die Romantik vor allem besteht keine klare Grenze zwischen der Ironie, die sich äussert (der executiven) und der Ironie in der Totalanschauung.-- Die «dramatische Ironie», die uns Thema ist, ist zugleich Abbild einer «contemplativen» Ironie - man kann die dramatische Ironie geradezu als Form der contemplativen, spe culativen fassen.

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Die dramatische Ironie ist die Hauptform, nicht die einzige Form der Ironie - als solche tritt sie uns seit Aristophanes deutlich ent gegen in der Zeit bis zur Romantik meist unbewusst, selten be 1 Nach Haym kommt hier in Betracht: Fritz Brüggemann: Die Ironie als entwicklungsgeschichtliches Moment (Jena 1909). F. Ernst: Die romantische Ironie, Zürich 1915, G. Stefansky: Das Wesen der deutschen Romantik, Stuttg. 1923. Saml. Værker XIII, 329 ff.

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"Besonders im Schlusskapitel: «Ironi som behersket Moment - Ironiens Sandhed». Als «Meister» stellt Kirkegaard Goethe und Heiberg auf.

G. H. Schubert stellt z. B. in der «Symbolik des Traumes» den Begriff der <<Ironie in der Natur» auf. (Bamberg 1814; 18403).

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Aristophanes ist der praktische, Sokrates der theoretische Anfang der bewussten Ironie. (Kierkegaard u. Himmelstrup.)

K. zieht die Konsequenz seiner leidenschaftlichen Ablehnung der Ironie u. Romantik: These: «Sokrates non solum ironia usus est, sed adeo fuit ironiae deditus, ut ipse illi succumberet.>>

wusst erscheinend. Das grösste, «klassische» Vorbild für die Romantiker ist die Ironie der Renaissance, vor allem Shakespeare, Cervantes, ein Vorklang ein formales Vorbild war ihr Holberg und Gozzi – zu der unterhaltenden, «vergnügenden» Ironie des Rokoko, ihres Meisters Wieland fand sie kein Verhältnis hier fehlte der weltanschauliche Grundton.

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Es ist schon gesagt: Holberg und Gozzi kannten keine bewusste, aus contemplativer Weltanschauung hervorgehende Ironie. So sehr sie das Dichtergenie sich selbst abstritten,1 so sehr fehlte ihnen das Bewusstsein ihrer oft sprühenden ironischen Genialität. Als das Ver dienst ihrer Kunst rühmen beide die moralisierende Tendenz; die Kunst und die Ironie war ihnen eine unschädliche Konzession an das Publikum, ihnen selbst verächtlich. Die Ironie im «Ulysses von Ithacia», im «Peder Paars», in «Melampe» war für Holberg nur ein Mittel, Illusionen und unnatürliche Traditionen zu zerstören. In Wirklichkeit offenbart sich hier, wie in der zwecklosen Ironie von «Jeppe», «Det lykkelige Skibbrud» usw. der wirkliche Dichter ihn allein erkannten Tieck und Solger an. Ebenso sieht Gozzi in seiner Neueinführung der «Masken» nur die soziale Tat eines grossen, «aufgeklärten» Vornehmen, seine Ironie ist ihm Mittel zur Bekäm pfung des klassizistischen Goldoni auf der einen, zur Besserung der Sitten auf der andern Seite auch eine Konzession ans Publikum. Den Schlegels, Tieck, Brentano, E. T. A. Hoffmann aber waren die Masken eine willkommene Form der bewussten Ironie.5 6 Das, was

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1 Vergl. die Vorreden zu den einselnen Stücken Gozzis. 'Deutlich in Gozzis Vorrede zu dem ersten Spiele: «die drei Pommeranzen.»> Holberg über seinen «Ulysses» und die Urteile der Zeit über den «Ulysses». (Zusammengestellt in Martensens Einleitung zum «Ulysses» Komedier Bd. 5.)

Daneben «De Usynlige», «Uden Hoved og Hale» u. a.

'Gozzi unterstützte durch seine Märchenstücke die Truppe Sacchi, die durch Goldonis «Klassizistische» Konkurrenz verarmt war.

Wie wenig Gozzi seine Ironie als seine Kunstform empfand, sieht man aus seinen späteren, blutlosen, moralisierenden Rührstücken. (Die Rührstücke brachten ihm um 1770 den grossen Erfolg in Deutschland. Für Gozzi bedeutete Schillers Turandotbearbeitung und die Anerkennung durch die Romantiker eine Renaissance innerhalb des neuen Geistes. Ebenso wurde Holberg durch Tieck neu entdeckt, er lebte sonst nur als Stoffquelle fort (vergl. C. Roos' Zusammenstellungen). Die Wirkung Gozzis und Holbergs in der Zeit war wesentlich 1750 bzw. 1780 abgeschlossen.) - Gozzi sagt von seinen Stücken (zitiert nach Werthes' deutscher übersetzung 1777 79 (Bern) «Ich suchte damit das Publikum noch mehr zu überzeugen [d. h. durch die glücklichen Bettler»], dass ein nicht unglücklich ausgeführtes,

die Romantiker ansprach, war das Prinzip der dramatischen Ironie direkte Nachahmungen und Motivübernahmen finden sich so gut wie nicht.1

Aristophanes, Shakespeare, Calderon sind die grossen Meister der dramatischen Ironie, neben sie stellten Tieck, Solger, Brentano, Hoffmann, Holberg und Gozzi. Fr. Schlegel, der Theoretiker des romantischen Dramas erkannte beide nur mit Vorbehalten an später lehnte er Holberg ganz ab. Der direkte Einfluss von Holberg auf die Romantik ist praktisch und als theoretischer Ausgang gering er spielt neben den grossen Meistern, selbst neben Gozzi die kleinste Rolle. Was uns angeht, ist die verschiedene Ausprägung der Ironie in zwei entgegengesetzten Zeiten Holberg ist mehr noch als Gozzi in seiner Natur und seinem Wollen typisch für die Auf klärung.

II.

Voraussetzung für jede Ironie ist das Vorhandensein verschiedener Ebenen in einem Bewusstsein, in einer Seele, in einem Geiste. Die Ebenen werden nicht geschieden, sondern zueinander in Beziehung ge setzt. Jede gesetzte Ebene wird gleichsam durchsichtig, sie lässt höhere und tiefere Welten ahnen. Die eine Ebene bedeutet die andere, auf der oberen wird die untere abgebildet, die eine ist eine Projektion der anderen. Doch bildet die Ironie nicht einfach das Positive im Negativen ab — sie gibt einfach ein Abbild, eine Projektion des Wesens auf anderer Ebene in anderen Verhältnissen ohne Rück sicht auf Lage und Richtung der Ebene im Positiven und Negativen. Zwei wesentlich nur gefühlsmässig begrenzte Gebiete treffen sich hier: Mythologie-Allegorie und Ironie; wie weit man, besonders in

wiewohl auf falschen Grund gebautes Schauspiel

halten könne.>>

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• Schlegel: Vorlesungen

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belustigen und unter

(a. a. O.) II 1 S. 60: Die Masken als Ironie auf die Wunderhandlung. Der Haupteffekt in Gozzis Ironie war, dass die «Masken» wirks liche Personen spielten, wodurch die ironische Dualität sich von selbst bildete.

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1 Zu Gozzi und die Romantik vergl. A. Köster: Schiller als Dramaturg. 1890. 2 Calderon wirkte vor allem durch «Der Traum ein Leben». Vergl. d. Abhdlg: Philipp Lersch: Der Traum in der deutschen Romantik München 1923. • Vorlesungen . . (a. a. O.) II, S. 384. (Holbergs Komik ist roh.)

* Vergl. Kierkegaards Ironiebestimmung: «Fænomenet er ikke Væsenet, men det modsatte af Væsenet.» K. kommt durch die Einengung des Begriffs, von Solgers Bestimmung ausgehend, zur Ablehnung der viel weiteren romantischen Ironie.

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